Leider fangen viele Paare erst an, sich mit der heute so genannten „Freien Liebe“ zu beschäftigen,wenn die Sexualität ins Spiel kommt Und ist der Wunsch oder das Verlangen nach Sexualität außerhalb der Partnerschaft wieder entschwunden, dann endet meistens das Interesse an der „ Freien Liebe“ sehr schnell – meist, ohne dass man ihr überhaupt auch nur annähernd begegnet ist.
Für mich ist die „Freie Liebe“ jedoch der wesentlichste Bestandteil einer Partnerschaft oder einer Beziehung, ob sie nun Sexualität oder Liebschaft mit Anderen einbezieht oder nicht. Unter FREI verstehe ich, dass sich die Partnerschaft sich so verändern darf, dass die Liebe und die Freundschaft im Vordergrund stehen und nicht das Band der Beziehung. Und man sich traut dort loszulassen, wo Freundschaft und die Liebe ansonsten erstickt würden, auch wenn es erstmal ängstigt und verunsichert. Wir können uns ja mal anschauen, was denn genau passiert, wenn zwei verliebte oder liebende Menschen aufeinander treffen:
Gemeinsam im Raum der Liebe
Am Anfang, wenn zwei Menschen gemeinsam den Raum der Liebe betreten, ist da eine gewaltige Anziehung in der Sexualität und ein großer Wunsch nach Nähe und Bezogenheit. Das Paar will also möglichst viel Zeit miteinander verbringen. Jeder verlässt nun Stück für Stück sein eigenes, vorheriges Leben, um ein neues gemeinsames Leben aufzubauen, worin das alte, eigene Leben meistens keinen großen Platz erhält.
Es ist wie ein gemeinsames Band, an dem die Beiden flechten und weben, bis es sie immer mehr umgibt, verbindet und zueinander gehören lässt. Beide haben daran sehr viel Freude und sind glücklich über die Schönheit, die dieses Gemeinsame, Neuerschaffene hat. Sie genießen die Sicherheit und Gewissheit, die dieser gemeinsame Weg durch das Leben gibt.
Höhen und Tiefen teilen
Nach einiger Zeit macht dem flirrenden Ziehen der Verliebtheit eine ruhige, verlässliche, getragene erste Stufe der Liebe Platz. Die Beiden haben jetzt auch schon einige Höhen und Tiefen miteinander geteilt, denen das gemeinsame Band standgehalten hat. Die übergroße Anziehung läßt nach und der Blick öffnet sich immer mehr für die Welt und der gemeinsame Gang auf dem Weg des Lebens beginnt. Zuerst will es natürlich geübt werden, statt alleine jetzt zu zweit, durch ein Band verbunden, durch die Welt zu gehen. So werden die ersten Schritte mit sehr viel Achtsamkeit, Sorgfalt, Nachsicht und Freude gegangen. Nach und nach fällt das natürlich leichter und beide öffnen sich wieder ein Stück mehr für die Welt. Sie betrachten den Weg vor sich, die Landschaft, die Tiere und auch die anderen Menschen um sich herum.
Die hohe Achtsamkeit und Aufmerksamkeit für das Gemeinsame lässt erneut ein wenig nach und so bekommt das Eigene mehr Platz im Leben des Einzelnen. Jeder von den beiden spürt wieder mehr seine eigenen Bedürfnisse und wird anfangen seinen eigenen Neigungen nachzugehen. Das ist natürlich anfänglich gehalten von dem gemeinsamen Band und erscheint leicht und im Gleichklang. Mit der Zeit gehen unsere beiden Liebenden jedoch ganz unmerklich, Stück für Stück ein wenig weiter auseinander.
Von der Liebe zum Durcheinander
Vielleicht kehrt der Eine einfach ein bisschen mehr zurück in das eigene, vorherige Leben, vielleicht weil etwas in der Landschaft die Aufmerksamkeit des Anderen erregt hat oder vielleicht ist es nur das eigene Schicksal. Nun fängt das einst so liebevoll gespannte Band natürlich an ein wenig zu drücken und zu zwicken. Die beiden fühlen sich nun ein wenig eingeengt und unwohl.
Und nun beginnt das Drama. Zuerst gibt jeder dem Anderen die Schuld:
„So warst Du früher doch nicht“,
„Hätte ich das vorher gewußt,“
“so habe ich mir unser gemeinsames Leben aber nicht vorgestellt,“
und man beobachtet nun den anderen genau, um zu zeigen welcher Schritt wie und wann dazu führt, dass das Band nun spannt und drückt. Oder einer achtet ganz genau darauf wie er welchen Schritt setzt, um ja keinen Fehler zu machen und verliert darüber seine Spontaneität und Intuition.
Das Durcheinander wird immer größer, wie auch immer sich die beiden drehen und wenden, es bleibt unbefriedigend: beieinander ist es zu eng und ein wenig zu weit auseinander und schon drückt das Band. Und so werden unsere beiden Liebenden zu Gegnern. Und was dann folgt, kennt wahrscheinlich jeder von uns: ein zermürbendes Arbeiten an sich und an der Beziehung.
Streits, Entschuldigungen, Versöhnung, der Alltag und wieder Streit. Das anfänglich wegen seiner Schönheit bewunderte Band wirkt nun wie ein schäbiger Strick oder eine Fessel. Beide denken nun ab und zu daran, dass es mit einem anderen Menschen bestimmt möglich sein müsste ein schöneres Band zu gestalten und trennen sich dann enttäuscht voneinander. Das wäre der übliche Verlauf der Geschichte.
Schauen wir aber nochmal zu unserem Paar. Als das Band nun immer wieder drückte und spannte, beide irgendwann völlig aus dem Tritt und aus ihrer Mitte gefallen waren, sagt einer von beiden:“ Ich kann mich noch daran erinnern, wie schön es mit Dir war. Ich will dieses Gefühl wieder fühlen und nicht den ganzen Streit und das Gegeneinander. Es war dieses warme, weiche, volle Gefühl in meinem Herzen. Lass uns einen Moment still stehenbleiben und dorthin zurückkehren
Das Herz wieder spüren
Und als beide eine Zeit lang still gehalten hatten, spürten sie wieder ihr Herz. Es war lange her, dass sie sich angeschaut hatten. So sahen sie das Strahlen des Geliebten und die Schönheit, die ihr Band einst gehabt hatte.
Die Erkenntnis, die den beiden dadurch kam, war, dass weder an dem Band, noch an dem Anderen etwas falsch war. Es hatte sich nur etwas verändert. Da wurden beide ganz traurig, weil sie nicht wussten, was sie tun sollten. So standen sie einfach eine Weile still miteinander und genossen die wieder gefundene, gemeinsame Liebe im Herzen. Aber sie spürten auch wieder ihre eigene Lebenskraft, ihr eigenen Wünsche und ihre eigene Neugier auf das Leben. Und auf einmal hatten beide dieselbe Einsicht:
“Es liegt an dem Umgang mit dem Band”.
Sie fingen nun an, mit dem Band zu spielen, es aufzuknoten, sich darin einzuwickeln und wieder auszuwickeln und alles mögliche auszuprobieren. Es war aber auch Angst dabei, da nun die Entfernung zueinander manchmal ganz schön groß wurde. Aber sie erinnerten sich immer rechtzeitig wieder daran, wie eng und leblos alles zuletzt gewesen war, als das Band sie noch verband und die Sicherheit so groß schien.
Und trotz aller neugewonnen Freiheit und Lebendigkeit war da immer noch dieses vermaledeite Band. Und wieder drohte alles eng und leblos zu werden. Diesmal waren die beiden Liebenden aber wacher. Und so erkannten sie frühzeitig die Symptome. Und sie waren auch nicht mehr so erschrocken und ängstlich, weil sie nun wussten, dass dieses warme, weiche Gefühl sie immer miteinander verbinden würde, auch wenn noch andere Menschen dazu kommen würden oder das Leben die beiden auf verschiedene Wege finden würde.
Das Band fallen lassen
Und so ließen sie beide das Band, ganz wie nebenbei, ganz fallen und ab da erblühte zum ersten mal wahre Liebe – jenseits von Definitionen und Erwartungen. In dem Sinne heißt “Liebe” doch eigentlich nichts anderes, als den Mut und das Vertrauen zu haben, DAS zu leben und da sein zu lassen, was IST und was in Anmut und Würde DASEIN möchte. Und das hat nichts mit Verantwortungslosigkeit zu tun – ganz im Gegenteil. Aber dazu erzähle ich noch einmal zu einem anderen Zeitpunkt etwas.
Vielleicht hat dir diese kleine Geschichte zeigen können, was ich mit der freien Liebe in der Partnerschaft und überhaupt meine.
Du darfst bereit sein, deinem Herzen und dem Leben zu vertrauen, wenn Du den Raum der Liebe betreten möchtest. Und vielleicht kannst Du nun auch herausfinden, an welchem Punkt Du in deiner Partnerschaft stehst oder woran deine letzte Partnerschaft gescheitert ist.
Alles Liebe an Dich.